Agoraphobie

#1 von Holiday , 21.02.2012 10:04

ich bin weiblich und leide unter Agoraphobie, zumindest ist dies die letzte Bezeichnung einer Psychologin.
Agoraphobie bedeutet "Angst das Haus zu verlassen", weil man da draussen vieles nicht mehr unter Kontrolle hat. Man könnte sich in Gefahren bringen, die man nicht mehr beeinflussen kann, oder man könnte in peinliche Situationen geraten.

Ich leide unter dieser Erkrankung seit gut zwei Jahren, zuvor war ich kerngesund und ständig unterwegs. Durch eine körperliche Krankheit fiel ich vor 3 Jahren ins Koma, verbrachte Monate im Krankenhaus und als es dann an der Zeit war, wieder ins normale Leben zurück zu kehren, spürte ich, das etwas anders war, als zuvor.

Aus unerklärlichen Gründen bekam ich Panik, wenn ich das Haus verliess. Mein Herz fing heftig an zu schlagen, ich bekam Schweissausbrüche und Atemnot. Zunächst verstand ich die Welt nicht mehr, denn eigentlich war ich ja froh, endlich aus dem Krankenhaus raus zu sein. Ich wollte shoppen gehen, die frische Luft geniessen und einfach froh sein, dem Leben wieder verfügbar zu sein. Nachdem ich 2 oder 3 mal bei einer solchen Panikattake wieder umgekehrt war, fragte ich mich, was denn plötzlich los war mit mir. Ich kam zu der Erkenntnis, das ich einfach nur Angst hatte. Ich fühlte mich ungeschützt, allen Gefahren ausgesetzt...auf dem silbernen Tablett sitzend. Wovor genau ich Angst hatte, war das Nächste, was mich beschäftigte. Plötzlich fielen mir tausende Dinge ein, die einem "draussen" passieren konnten. Ohnmacht, Übelkeit (kotzen in der Öffentlichkeit), Unfälle, böse Menschen. Ich verstand die Welt nicht mehr. Das waren alles Dinge, über die ich mir in meinem Leben vor dem Koma nie Gedanken gemacht hatte. Wieso hatte ich plötzlich Angst davor, mitten auf der Strasse umzufallen? Wieso machte ich mir plötzlich einen Kopf darum, was andere von mir dachten? Wieso sollte mich ein Auto anfahren, dies war in den Jahren zuvor auch nie passiert. Konnte mich ein Blitz treffen? Würde mich jemand erschiessen, entführen...heutzutage weiss man ja nie! Was wäre wenn mir schwindelig würde, ich umfalle? Was würden die Menschen denken? Würden sie mir helfen? Falle ich noch einmal ins Koma und muss monatelang ins Krankenhaus?
Einfachste Dinge wie einkaufen sind für mich eine Herausforderung. Voller Panik, mit dicken Schweissperlen auf der Stirn und Tunnelblick hetze ich durch ein Geschäft, packe in Eile was ich brauche und stürme dann zurück in mein Auto, in dem ich dann erstmal ein paar Minuten Erholung brauche. Mein Auto ist mein bester Freund. Öffentlich fahren käme mir nicht in den Sinn, ist völlig undenkbar für mich.
Erst jetzt ist mir klar, was einem alles unkontrolliert passieren kann. Sicher weiss ich, das ich auch zuhause umfallen kann, mich dort eventuell keiner findet, aber es ist immer noch etwas anderes wenn es in den eigenen vier Wänden passiert, als wenn es viele Leute sehen.
Auf Termine muss ich mich tagelang vorbereiten können. Ich überlege mir dann den kürzesten Weg dahin, packe eine Notfalltasche, mit meinen Medikamenten, etwas zum Trinken und zum Essen und überprüfe 5 mal mein Auto, ob es ja nicht am Tag des Ereignisses den Geist aufgibt. Auch das Begleiten von Vertrauenspersonen ändert nichts an meinen Ängsten. Klar fühle ich mich dann etwas sicherer, doch Panik kann ich trotzdem nicht vermeiden.
Erst seit kurzem weiss ich, das meine Krankheit eine Krankheit ist und das sie einen Namen hat. Ich werde anfangen eine Therapie zu machen, doch bis dahin wird es noch etwas dauern, weil ich Angst davor habe, denn ich weiss, das die Behandlung zur Konfrontation führen wird. Um diesen Schritt gehen zu können, brauche ich noch etwas Mut.

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RE: Agoraphobie

#2 von sahlina , 21.02.2012 14:53

hallo holiday,
willkommen in meinem forum. danke für deinen beitrag!

 
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RE: Agoraphobie

#3 von Sheilchen , 22.02.2012 19:59

Deine Geschichte ist sehr ergreifend und ich kann mich sehr gut in Dich hinein versetzen. Alles Liebe und Gute für die Zukunft!

Sheilchen  
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RE: Agoraphobie

#4 von Holiday , 23.02.2012 09:14

hey sheilchen

danke sehr. das sich tatsächlich jemand in mich hineinversetzen kann, kann ich fast nicht glauben, denn die reaktionen der aussenwelt wirken eher meist unverständlich. aber anhand deiner eigenen geschichte sehe ich, dass du selbst einiges durch gemacht hast.

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